05.06. 17:57

GDL will Bahn mit eigener Leiharbeitsfirma ausbooten - Hohe Tarif-Forderungen

Berlin (Reuters) - Die Lokführergewerkschaft GDL geht inmitten des Tarifkonflikts der Deutschen Bahn mit der rivalisierenden EVG auf Konfrontationskurs und will dem Marktführer mit einer neuen Leiharbeitsfirma Personal abjagen.

GDL-Chef Claus Weselsky sagte am Montag in Berlin, die neu gegründete Genossenschaft Fair Train sei eine "Kampfansage in Richtung Roter Riese". "Wir sind es leid, zuzuschauen, wie sich 3500 Führungskräfte in diesem Konzern hohe Grundgehälter und hohe Boni in die Taschen schanzen, während sie den Mitarbeitern die Gürtel enger schnallen."

Die Genossenschaft, an der sich ausschließlich GDL-Mitglieder beteiligen können, soll Lokführer zu fairen Konditionen an Eisenbahnfirmen verleihen. Zumindest am Anfang dürfte die Deutsche Bahn dabei wohl nicht unter den Kunden sein, sagte Weselsky. "Wir erwarten aus dem Turm heftigste Gegenwehr, auch das ist kalkuliert." Es gebe den Marktführer Deutsche Bahn (DB), wo den eigenen Mitarbeitern tarifliche und soziale Leistungen absichtlich entzogen würden, monierte die GDL. "Damit muss Schluss sein, sonst werden wir in Deutschland in wenigen Jahren auf neu ausgebauten Strecken Ziegen halten können, weil keiner mehr in den Zügen arbeiten will."

Mit dem Unternehmen reagiert die GDL auch auf das Tarifeinheitsgesetz: Die Lokführergewerkschaft hat deutlich weniger Mitglieder als die größere EVG. Der Tarifvertrag, den die GDL mit der Bahn aushandelt, gilt nur in DB-Betrieben, in denen die GDL mehr Mitglieder als die EVG hat - bei der vorigen Tarifrunde traf das auf 16 von gut 300 Betrieben zu.

"NETTE UND HEFTIGE DISKUSSIONEN MIT DEM ARBEITGEBER"

Weselsky griff bei der Vorstellung seiner Idee und der Tarifforderungen der GDL das Bahn-Management direkt an. "Hätten wir einen besseren Vorstand, hätten wir eine bessere Rechtsform in dieser DB AG, würden wir nicht erleben, wie das Eisenbahnsystem durch Unpünktlichkeit und Unzuverlässigkeit glänzen muss", sagte er. Die Bahn verzettle sich bei vielen Nebengeschäften weltweit: "Es gibt fast nichts, was der Konzern nicht macht und sich nicht einbildet zu können. Nur eins können sie nicht - Eisenbahn in diesem Lande." Mit den Tarifforderungen wolle die GDL etwas gegen den Lokführermangel tun.

Kernpunkte seien 555 Euro mehr Geld pro Monat und eine Erhöhung der Zulagen für Schichtarbeit um 25 Prozent. Zudem plädiert die GDL für eine Absenkung der Arbeitszeit von 38 auf 35 Stunden pro Woche für Schichtarbeiter ohne anteilige Lohnabsenkung und eine steuerfreie Inflationsausgleichsprämie von 3000 Euro - unabhängig ob für Teilzeit- oder Vollzeitarbeitnehmende. Ferner fordert die Gewerkschaft einen Anstieg des Arbeitgeberanteils von derzeit 3,3 auf fünf Prozent für die betriebliche Altersvorsorge, die Einführung der Fünf-Schichten-Woche für Personal im Schichtdienst und eine Tariflaufzeit von maximal zwölf Monaten.

Dabei stellt sich Weselsky auf eine harte Konfrontation mit der Bahn ein: "Wir werden sicher nette und heftige Diskussionen mit dem Arbeitgeber bekommen." Es gehe dabei aber nicht um einen Überbietungswettbewerb, sondern darum, Bahnberufe attraktiver zu machen. Die Bahn erklärte dazu, sie habe die Forderungen zur Kenntnis genommen und werde sie zu gegebener Zeit bewerten. Derzeit stünden die Verhandlungen mit der EVG im Vordergrund.

Anders als die konkurrierende EVG, die den Staatskonzern DB bereits mit Warnstreiks mehrfach weitgehend lahmgelegt hat, darf die GDL vorerst nicht zum Arbeitskampf aufrufen. Hier gilt eine Friedenspflicht bis Ende Oktober. Die EVG fordert zwölf Prozent mehr Lohn, mindestens aber 650 Euro im Monat mehr bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Die GDL ist deutlich kleiner als die EVG, gilt aber als durchsetzungsstark und hat sich in der Vergangenheit bei vielen Streiks mit der Bahn-Spitze gerieben.

(Bericht von Klaus Lauer und Christina Amann, redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)